Von Bäumen lernen

Überall in den Kulturen der Menschen spielen Bäume eine große Rolle. Alte Bäume, Baumkreise und heilige Haine, Baumreihen und Alleen waren Vorbilder für antike Tempel, Basiliken und gotische Kathedralen. Bäume dienten als Gerichtsplatz und Richtstätte, als Dorfmittelpunkt am Markt, als spirituelles Kraftzentrum, zum Heilen und Meditieren. Sie markierten Kraftorte an Wegkreuzen, Wallfahrtskirchen und in der Waldeinsamkeit.

Eindrucksvoll vermitteln alte Bäume Kraft und Stärke. Bäume schaffen in der Gemeinschaft Lebensraum für zahllose Tiere, Pflanzen und Pilze. Nirgendwo können wir Menschen so tief in die Natur eintauchen, wie ein einem Wald. Bei einem Waldspaziergang schöpfen wir Kraft und finden Ausgeglichenheit.

Bäume lehren uns, zu staunen, die eigene Position zu überdenken, Dinge zu relativieren und Klarheit zu finden. Man kann die Heilkraft der Bäume auf ihre pharmakologischen Inhaltstoffe reduzieren und auch hier gibt es noch viel zu entdecken. Aber die heilenden Kräfte der Bäume decken ein weit größeres Feld ab. Bäume sind ausdauernde und verholzende Samenpflanzen, die eine dominierende Sprossachse aufweisen, die durch sekundäres Dickenwachstum an Umfang zunimmt. Im Gegensatz zum Strauch ist es besonderes Merkmal der Bäume, dass sich dadurch ein vorherrschender Haupttrieb herausbildet.

Der Grundgedanke der Baumheilkunde nutzt die Kommunikation zwischen Pflanze und Mensch. Leider ist dieses Wissen nahezu verloren gegangen. Verloren gegangen ist die Praxis deshalb, weil diese Art des Heilens Offenheit und Zeit erfordert. Mit dem allmählichen Verlust dieser Voraussetzungen hat auch eine so fein wirksame Art des Heilens keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft. Diese ursprüngliche Baumheilkunde benötigt keine Verarbeitung von Pflanzenteilen, sie sucht ausschließlich den direkten Baumkontakt und heilt mit dem lebendigen Wesen des Baumes. Diese Zwiesprache wird zur heilenden Kraft. Die Quelle der heilenden Kraft finden wir durch die vermittelnde Zwiesprache zwischen dem Baum und uns in uns selber. Das ist ein Geschenk, das uns angeboten wird.

Wenn Sie noch keinen persönlichen Kraftbaum kennen, wenn sie sich nicht oft in Wald und Natur sich der Baumenergie hingeben können, so hilft ihnen die Pflanzenheilkunde mit frischen, getrockneten oder extrahierten Pflanzenteilen, die Kraft der Bäume zu erfahren.

Hasel, Coryllus avellana, Birkengewächse

Die Hasel ist ein mehrstämmiger Strauch, sie beginnt im Alter von neun Jahren zu blühen. Haseln blühen vor dem Blattaustrieb, das ist typisch für Windbestäuber. Die Nüsse stehen oft in Büscheln aneinander und sind mit einer Hülle ummantelt. Die Haselsträucher dominierten die nacheiszeitlichen Tundren. Man nennt dieses Zeitalter Boreal oder die Haselzeit. Die frühe Blüte der Hasel zeigt uns ihre Kälteverträglichkeit. Trotzdem liebt sie die Sonne. Die Hasel kann zwar auch im Schatten gedeihen, trägt dann besonders große Blätter, aber keine Früchte.

Früher nutzte man Haselgerten für Flechtzäune, Vogelschlingen, Ausklopfstäbe und Korbbügel, für Spazierstöcke und sogar Armbrustbögen. Ältere Haselstämme sterben nach 30 – 50 Jahren ab und werden dann durch junge Triebe ersetzt. So sieht die Hasel immer jung aus, kann aber doch mehrere 100 Jahre alt sein.

Die Hasel ist ein Symbol der Fruchtbarkeit, Haselnüsse und Haselzweige wurden für Liebesorakel genutzt. Jahre mit reicher Haselernte waren Jahre mit zahlreichen Geburten. Das Öl der Hasel ist reich an Vitamin E, das stärkt die Keimdrüsen und fördert die Fruchtbarkeit. „Viel Hasel, viel Kinder ohne Vater“ …

Daher stammt der Brauch, einer unverheirateten schwangeren Frau in der Nacht zum 1. Mai, anstelle einer Birke einen Haselstrauch vor das Fenster zu stellen, um sie dem allgemeinen Spott preiszugeben. Diese Sitte war in Frankreich, aber auch in der Pfalz und in Hessen verbreitet. Das soziale Mobbing funktionierte also auch ohne Internet.

Wie alle Nüsse sind auch Haselnüsse reich an Mineralien und Spurenelementen. Haselnüsse und Hasellaub helfen bei der Regulierung des Blutdrucks und stärken die Knochenfestigkeit. Haselnussöl verbessert die Stressresistenz und wurde früher bei Epilepsie zur Reduzierung der Anfallsintensität genutzt. Haselzweige dienten dem Schutz vor Hexen, vor Fluch und Beschwörung, deswegen wünschte sich Aschenputtel von ihrem Vater einen Haselzweig als Schutz vor der Stiefmutter.

Heute wird Haselnussöl meist zu kosmetischen Zwecken eingesetzt, Haselnussöl strafft die Haut und wirkt gegen Falten, gerade um die Augen. Damit kann jedes Aschenputtel wie eine Prinzessin aussehen.

Von allen Bäumen und Sträuchern besitzt die Hasel höchste Spiritualität, sie ermöglicht, mit der Anderwelt in Kontakt zu kommen, Rutengänger bevorzugen nach wie vor frisch geschnittene Haselzweige als Wünschelrute. Die Hasel wirkt reinigend und klärend auf Geist, Seele und Körper. Sie vermittelt zugleich eine gesunde Leichtigkeit und wirkt so auf den Menschen jugendlich und fröhlich. Die permanente Verjüngung der Hasel zeigt den Weg zu unserem inneren Kind. Die Weisheit der Hasel kann uns mitteilen, wo dieses Kind verborgen ist, uns helfen unsere Probleme zu verstehen und zu lösen, notwendige Reifeprozesse einzuleiten.

Der Weg der Hasel ist Loslassen am Hergebrachten und sich dem Neuen öffnen. Haselprodukte sind für Tiere aus dem Tierschutz, Tiere mit dramatischen Vorgeschichten, eine gute Hilfe zur Integration und zur Lösung der alten Blockaden.

Die Hasel ist ein Windbestäuber. Als solche blühen sie vor dem Blattaustrieb, damit der Wind die Pollen der wurmförmigen Blütenstände ungehindert verteilen kann.

Ein Artikel von Manfred Heßel, Dipl.-Ökologe und Phytotherapeut

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