Die Nahrungsgrundlage unserer Pferde stellt viele Pferdehalter und auch Pferdebesitzer seit
einigen Jahren vor große Probleme. Vor 30 Jahren waren diese Probleme im Bereich der
Kleinpferdehalter angesiedelt. Bei diesen „leichtfuttrigen“ Rassen gab es immer eine Reihe
von Tieren die dazu neigten fett zu werden. Bei Warmblutpferden war diese Tendenz, trotz
24 Stunden Weidegang im Sommer, sehr selten festzustellen.
Das Problem kann man aus verschiedenen Richtungen betrachten. Einerseits ist da die Spezies Equus, die auf eine Entwicklung vom Urwildpferdchen Eohippus zum Hauspferd Equus ferus caballus von 58 Millionen Jahren zurückblickt und in dieser Zeit einen hoch spezialisierten Verdauungstrakt entwickelt hat. Andererseits sind da die Nahrungsgrundlagen die in dieser Zeitspanne großen Wandlungen unterlegen war.
Gedanken zum Hauspferd
Unser heutiges Hauspferd ist mit seinen ca. 35 Metern Verdauungstrakt in der Lage aus sehr karger Nahrungsgrundlage genug für Erhaltung, Fortpflanzung und auch Flucht herauszuholen. Für mich sind die verwilderten Warmblutpferde in der Namibwüste das beste Beispiel.
Über die Herkunft der wilden Pferde wurde jahrzehntelang gerätselt. Einige verwiesen auf Pferde der deutschen Schutztruppe in der damaligen Deutschen Kolonie Deutsch -Südwestafrika, die während des Ersten Weltkrieges um 1915 beim Rückzug vor den südafrikanischen Streitkräften verloren gingen; andere hielten sie für Nachkommen freigelassener Tiere aus der Pferdezucht Duwisib des ehemaligen Schutztruppenoffiziers Hansheinrich von Wolf (etwa 250 km nordöstlich). Eine andere zum Teil noch immer vertretene Ansicht über ihre Herkunft ist, dass diese Warmblüter, wahrscheinlich Trakehner, gegen Anfang des 20. Jahrhunderts von einem deutschen Baron ins heutige Namibia gebracht wurden und aufgrund der Kriegsereignisse in die Wüste entliefen, wo sie zu einer Wasserstelle wanderten und in den 1980er Jahren wiedergefunden wurden.
Sicher ist jedoch nur eines: Ursprünglich hat es keine Pferde im südlichen Afrika gegeben; sie sind von den Europäern mit der Besiedlung importiert worden. Daher kann es sich bei den wilden Pferden der Namib nicht um echte Wildpferde, sondern nur um verwilderte Pferde handeln. Die Population konnte sich deshalb entwickeln, weil 1908 bei Kolmannskuppe Diamanten gefunden wurden und die deutsche Kolonialverwaltung zwei riesige Sperrgebiete einrichtete. Da niemand einen Zugang zum Sperrgebiet hatte, blieben die Tiere fast 80 Jahre lang ungestört. Über Jahrzehnte wurden sie lediglich von das Gebiet überfliegenden südafrikanischen Flugzeugen aus gesichtet. Im Jahre 1986 übergab die Minengesellschaft das Gebiet an den Naturschutz.
Diese Pferde haben einen von kargem Futter geprägten Lebensraum besiedelt ohne menschliche Hilfe. Ohne Hafer, ohne Müsli, ohne Hufschmied. Und trotzdem sieht man auf den Bildern glänzende Felle, schlanke Tiere, manchmal auch magere Pferde und kräftige Hufe. Das können unsere Hauspferde, vielleicht gerade ohne den Menschen! Was diese Tiere an Energie verbrauchen ist sicherlich deutlich höher anzusiedeln, als der Verbrauch eines Sport- oder gar eines Freizeitpferdes.
Der Bedarf scheint dort also über die karge Nahrung gedeckt zu sein. Und wie sieht das hier aus? Letztendlich wird der Organismus der Pferde durch Überversorgung belastet und so krank gemacht. Unsere Pferde leiden an Zivilisationskrankheiten. Diese führen zu multiplen Symptomen, von denen das gravierendste die Hufrehe ist.
Gedanken zur Pferdeweide
Ich möchte das große Ganze betrachten, also einen ganzheitlichen Blick auf die Pferdeweide riskieren. Zuerst einmal ergibt sich aus oben genanntem, dass Pferde mit karger Nahrung gut zurechtkommen. Zum anderen braucht der Verdauungstrakt des Pferdes genug zu tun, 16 Stunden am Tag werden mit Nahrungssuche und –aufnahme verbracht. Mit größeren Fresspausen ist der Verdauungstrakt des Pferdes nicht glücklich, es entstehen Koliken und Magengeschwüre. Das heißt, dass wir es mit einem hochspezialisierten Organismus zu tun haben, der jede Menge Futter „ohne“ viel Inhalt braucht. Und was bekommen unsere Pferde? Um es kurz zu machen: wenig Bewegung und hochenergetisches Futter.
Unsere Wiesen und Weiden sind Grasmonokulturen. Diese Gräser sind darauf gezüchtet Leistung zu ermöglich, die unsere Pferde nicht erbringen können. Und da das Pferd eine evolutionäre Nische besetzt, tut es das, was erst mal sinnvoll erscheint: es legt Vorräte für magere Zeiten an. Vorräte werden als Fettpolster gespeichert und ganz bestimmt im nächsten Winter gebraucht und aufgebraucht oder nicht? Nein, auch im nächsten Winter ist genug Heu vorhanden. Und das wird auch von den Hochleistungswiesen geworben.
Wie erkenne ich eine geeignete Pferdeweide?
Das Hauptkriterium sollte Artenvielfalt sein. Und das bedeutet, dass es dort mehr als nur ein paar verschiedene Grassorten gibt. Wie die Zusammensetzung im Einzelnen ist, hängt maßgeblich vom Standort ab. Und ad hoc lässt sich eine solche Weide nicht ansäen oder produzieren.
Eine Anleitung zum nachmachen
Ich gehe seit 2003 mit 2,5 ha Weideland und versuche mit den Gegebenheiten harmonisch im Fluss zu sein. Ich sage bewusst nicht, dass ich Land besitze, denn ich denke ich bin dort mit meinen Tieren zu Gast für eine Weile und benehme mich auch so. Als ich dort hinkam, fand ich eine Dauerbeweidung mit ca. einem ha Geilstellen und einem ha kurzgefressenes Gras durchsetzt mit Hahnenfuß vor. Der Rest ist Wald, Bach und Brombeerhecken.
Wieviel Weideland braucht ein Pferd?
Viehbesatz ist ein Maß für die Anzahl von Nutztieren im Verhältnis zu der für diese Tiere genutzten Fläche, auf der beispielsweise ihr Futter erzeugt wird. Der Viehbesatz kann sich auf Weiden und Almen beziehen, aber auch auf Wiesen und Äcker, sofern dort Futter für das Vieh geworben wird oder die Exkremente in Form von Kot und Harn oder Mist (Festmist) bzw. Gülle (Flüssigmist) ausgebracht werden. Der Viehbesatz wird angegeben in Großvieheinheiten je Hektar (GV/ ha). Die Belastung der Fläche durch weidende Tiere wird als Weidedruck bezeichnet.
Der Viehbesatz ist der wichtigste Maßstab der Intensität in der Viehhaltung und seiner Nachhaltigkeit: Bei ortsüblich-regionalem hohem Besatz spricht man von intensiver, bei niedrigem von extensiver Viehwirtschaft. Zu hoher Viehbesatz in Bezug zum Bodenertrag kann zur Überweidung oder Eutrophierung (Überdüngung) führen; zu niedriger zur Wiederbewaldung (Unterweidung).
Legt man Maßstäbe der Ökologie und des Naturschutzes zu Grunde, darf man natürlich nur die Fläche berechnen, von der sich „eine Großvieheinheit“ tatsächlich ernährt, also die tatsächlich genutzte Futterfläche. In der biologischdynamischen Landwirtschaft und nach Grundsätzen der Anthroposophie („ganzheitlich im Kreislauf“) wirtschaftenden Betrieben geht man dabei von einem maximalen Wert von 1 bis 1,5 (2,0) GV/ha aus.
Und so fing ich an
Die Gegebenheiten waren erst einmal nicht optimal. Ein schmaler Bachlauf, auf der einen Seite eine feuchte Wiese zu gut einem Drittel von Brombeerranken überwuchert. Auf der Stallseite des Baches ein strauchiger Wald mit Pappeln, Espen, Trauerweide und zwei wunderbaren alten Eichen. Dann folgt ein Hang überwuchert mit Weißdorn und Heckenrosen. Oberhalb befindet die eigentliche Sommerweide, die einerseits zu tief verbissen und andererseits mit hoch wuchernden Geilstellen versehen war.
Als erstes habe ich Bodenproben entnommen und von der Landwirtschaftlichen Untersuchungsanstalt analysieren lassen. Übersäuert und zu viel Zink war das Ergebnis. Also habe ich die Weiden mit Kalk versorgen lassen. Bei hohen Bodenbelastungen mit Zink kann eine Kalkung das Zink im Boden binden. Ein Biobauer aus der Nachbarschaft hat die Pflege des Bodens übernommen.
Der nächste Schritt war es die Wiesen am Ende der Saison zu mulchen und den Mulch zu verteilen. Das mindert die Geilstellen und der Mulch steht als Nahrung für die Pflanzen zur Verfügung. Doch das allerwichtigste war die Unterteilung des großen Wiesenstücks in sechs kleinere und eine gezielte Weideführung über einen Weitersteckzaun. Das führte zu einer besseren Ausnutzung des vorhandenen und die einzelnen Stücke konnten sich so sechs bis acht Wochen von der Beweidung erholen. Ein langer Treibgang vom Offenstall zu den Weiden gibt den Pferden genug Raum für Bewegung. Einzelnen Stücken wird so die Möglichkeit zur natürlichen Artenanreicherung durch Samen aus der Umgebung gegeben.
Und die 17 Jahre, die ich nun dieses Stück Land begleiten darf haben mir gezeigt, dass die Natur davon reichlich gebraucht gemacht hat. Der Vorteil liegt ganz klar darin, dass sich nur Pflanzen dort ansiedeln, die den Standort mit seinen Gegebenheiten mögen, die sich wohl fühlen und somit auch bleiben. Auf natürliche Art und Weise hat sich eine große Artenvielfalt eingestellt.
Doch jedes Jahr wundere ich mich wer dazu kommt, wer sich spontan massiv vermehrt und welche Pflanze weniger werden. Ein Wandel ist jedes Jahr aufs Neue feststellbar. Das Hahnenfußproblem hat sich nach drei Jahren reduziert, dafür kamen Kleesorten, nicht gerne gesehen, aber bei genauerem Hinsehen ergibt sich der Nutzen für den Boden durch die natürliche Stickstoffzufuhr. Und der Klee kommt und geht.
Im Einzelnen finde ich neben den Gräsern die gängigen Kräuter wie Spitzwegerich, Löwenzahn und kleiner Ampfer. Weiterhin wächst die wilde Möhre, Ehrenpreis, Augentrost, Tausengüldenkraut, die Flockenblume, Hauhechel, verschiedene Leguminosen, Distel (werden gerne gefressen), Gundermann, weiße Taubnessel, Frauenmantel, Wiesenbärenklau, Waldangelika, jede Menge Margeriten, Ackerschachtelhalm, verschiedene Johanniskräuter, Knotige Braunwurz, Farne, Malven, Labkräuter, Glockenblumen, Beinwell, Binsen, Mädesüß, Ziest, Hornklee und viele, viele andere. Und alles ohne Aussaat. Ach, ja, es gibt auch die gefürchteten Senecioarten, allen voran das Jakobskreuzkraut. Durch die Unterteilung der Wiesen ist es ein Leichtes vor jeder Beweidung dieses abzusammeln. Mittlerweile freuen sich ein paar hunderttausend Bienen über einen reich gedeckten Tisch und wohnen friedlich neben den Pferden. Viele Schmetterlingsarten und andere Insekten, wie Wildbienen und Hummel haben einen Lebensraum gefunden. Die Weide auf der anderen Seite des Bachs wurde und wird als Winterweide genutzt. Gerne und genüsslich fressen alle Pferde dort immer wieder die Brombeerblätter, deren Ranken jedoch im Frühjahr abgemäht werden. Auch dort wird gemulcht und gekalkt, ansonsten liegt die Wiese brach von Ende März bis November. Alle Pferde die hier stehen sind schlank oder, wenn sie adipös zu mir gekommen sind, sind sie ohne Zutun schlank geworden. Alle Pferde haben rund um die Uhr, Sommer wie Winter Zugang zu den Weiden und zu gutem Futterstroh. Im Winter gibt zusätzlich Heu von Extensivweiden zur freien Verfügung. Sicher kann das nicht jeder Pferdebesitzer realisieren. Dennoch möchte ich zu einem Umdenken anregen, da sich sonst gewisse Probleme evolutionär zu Lasten der Pferde regeln werden. Es bleiben dann eben die Pferde erhalten, die mit den Hochleistungsgräsern klarkommen.
Ein Artikel von Susanne Kirsten, Tierheilpraktikerin